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Hubert Rohracher - (1903 - 1972) ; Lehr- und Forschungsjahre in Tiro... (1973)
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HUBERT /ROHR ACHER
(1903='1972)

Lehr- und Forschungsjahre in Tirol

Von Gerhard Oberkofler

Seit einigen Jahren ist es ein wichtiges Anliegen der „Tiroler Heimat", die Geschichte
des Denkens in Tirol zu pflegen und auch evident zu halten. Deshalb ist es eine schmerz¬
liche Pflicht unseres Jahrbuches, des am 18. Dezember 1972 in seinem Kitzbüheler
Ferienheim völlig unerwartet verstorbenen Tiroler Gelehrten Hubert Rohracher, der
durch seine experimentell-psychologischen, im Nahbereich der Medizin liegenden For¬
schungen wichtige, oft entscheidende Impulse zur Aufhellung der menschlichen Psyche
gegeben und so zum Ansehen Tirols nicht nur in der österreichischen, sondern auch in
der internationalen gelehrten Welt außerordentlich viel beigetragen hat, zu gedenken.
Auch fasziniert es immer aufs neue zu sehen, welche großen geistigen Energien in der
Tiroler Bauernschaft tatsächlich vorhanden sind und da und dort, gleich einer Eruption,
in Einzelpersönlichkeiten, die Träger dieser kollektiven Kräfte sind, an die Oberfläche
kommen. Denn Hubert Rohracher, der am 24. April 1903 in Lienz als Sohn des Anti¬
quitätenhändlers Ambros Rohracher geboren wurde, wurzelt aus einem alten tirolischen
Bauerngeschlecht. Der Hof des Großvaters Andreas Rohracher steht in Leisach bei Lienz,
die Großmutter väterlicherseits war eine aus Patriasdorf bei Lienz stammende Idl. Roh-
rachers Mutter Rosa entsprang der Lienzer Familie von Hibler. Leo von Hibier und
Kreszenz geborene Wanner aus Lienz waren seine Großeltern mütterlicherseits *.

Die Gymnasialstudien begann Hubert Rohracher im Herbst 1914 bei den Augustinern
in Brixen, vollendete sie aber im Juli 1922 in Innsbruck, weil nach der Annexion Süd¬
tirols durch Italien die Brixner Anstalt ihr öffentlichkeitsrecht verloren hatte. Hierauf
bezog Rohracher die Universität München und hörte Vorlesungen aus Philosophie und
Psychologie bei Erich Becher, Clemens Baeumker, Moritz Geiger, Mathias Meier, August
Gallinger, Dietrich von Hildebrand, Kurt Huber und Alexander Pfänder. Als Neben¬
fächer wählte er Religionswissenschaft und Volkswirtschaftslehre, worüber er die Kol¬
legien von Joseph Schnitzer und Franz R. Merkel sowie von Otto von Zwiedineck-
Südenhorst besuchte. Rohrachers Dissertation (gedruckt 1926, Jenny Innsbruck), deren
Thesen er am 22. Februar 1926 verteidigte, setzt sich mit der Erkenntnistheorie und
Methodenlehre von Gustav Theodor Fechner auseinander. Sein Doktorvater war der
aus Reinshagen bei Remscheid stammende Philosoph Erich Becher, der der Schöpfer eines
eigenen philosophischen Gebäudes ist. Bechers kritisch-realistische Erkenntnislehre stützt
sich auf die Regelmäßigkeit des Weltgeschehens und das Vertrauen auf die menschliche

* Die folgenden Notizen fußen im wesentlichen auf dem Nachlaß von Theodor Erismann fUniversitäts-
ardiiv Innsbruck), dem zahlreiche Aktenstücke betreffend Hubert Rohracher einliegen. Wie es sich ver¬
steht, wurde auch in die wichtigsten literarischen Produktionen von Rohracher selbst Einsicht genommen.
Wertvoll die Selbstdarstellung Rohrachers, in: Psychologie in Selbstdarstellungen, Bern - Stutt¬
gart - Wien 1972, S. 256 ff, und der mit einem vollständigen Schriftenverzeichnis ausgestattete Nachruf auf
Rohracher von Friedrich Kainz, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österr. Akademie der Wissenschaften,
110. Jg., S. 2, Wien 1973. Für die freundliche Durchsicht des Manuskriptes bin ich Frau Univ.-Prof.
Dr. Franziska Mayer-Hillebrand sehr dankbar. Kainz sprach auch den Nachruf im Almanadi
der österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1973, 123. Jg., Wien 1974, S 367-373.

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