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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.52 (1926)
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Nr. 2

Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.

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Zeit der H. V. zu beanspruchen"; ferner: „der größte Teil der mit
soviel Zeitaufwand vorgebrachten Angriffe richtete sich gegen ein¬
gebildete Gespenster", die Anträge der S. S. Austria und Innsbruck
erschienen als Abwehrmaßregel, um dunklen Machtplänen einer
Minderheit vorzubeugen. Diese Begründung war völlig falsch und
eine Umkehrung der wirklichen Verhältnisse! Die Einstellung der
Bergsteigergruppe zur Hüttenfrage ist, seit ich (Dr. W. H.) in, April
die Leitung übernahm, bis zum Beginn und zum Ende der H. V.
unverändert geblieben".

Darauf erlaube ich mir, soweit es die S. Austria und mich be¬
trifft. Folgendes zu antworten:

Einige, zwar nicht den Amtsstempel der Bergsteigergruppe tra¬
gende aber von in der Vergsteigergruppe gewiß maßgebenden Per¬
jonen verfaßte Aufsätze^) zeigten, aus welche Bahn der Alpenverein
gedrängt werden Holt. Ich schrieb daher die dann in den „Mittei¬
lungen" vom'30. April 1925 erschienene Abhandlung: „Der Deutsche
und österreichische Alpenverein: E in Alpenverem oder der Al-
penuerein?" worin ich unter Anführung der schon 1923 beschlos¬
senen Grundsätze der Austria gegen die ersten 3 Punkte der Tölzer
Richtlinien Stellung nahm und ihre Abänderung anregte. Von
der Bergsteigergruppe sprach ich überhaupt nicht. Nach diesem Auf¬
sätze — ob dadurch veranlaßt oder nicht, weiß ich nicht — erschien
im Mai 1925 die Flugschrift über die Ziele der Bergsteigergruppe
„Was wir wollen!" In dieser Schrift war von dem Hüttenbau-
Verbot in d e r Schärfe, wie sie bald dckrauf zutage trat, noch nichts
zu merken. Bald darauf traten aber, wenn auch nicht über ge¬
schäftsordnungsmäßigen Beschluß einer Versammlung der Berg¬
steigergruppe, so doch durch Aufsätze, Wiedergaben von Ansichten
und Erklärungen des Vorsitzenden Dr. W. Hofmeier — der ja in
dieser EigensclM eine führende Stellung in der Vergsteigergruppe
einnehmen muß — Absichten zu Tage, den Hüttenbau ganz zu un¬
terbinden und weite Gebiete der Alpen für die bergwandernde All¬
gemeinheit abzuschließen. So schrieb Dr. W. Hofmeier in dem
Aufsatze „Bergsteigergruppe und Hüttenbau"') „daß zwar fast alle
Sektionen der Bergsteigergruppe eine völlige Einstellung jeder wei¬
teren Erschließung für das erstrebenswerte Ziel hielten, (siehe den
Vorschlag von 22 Sektionen der Bergsteigergruppe auf Hllttenbau-
oerbot!) doch könne es in Österreich immerhin noch Einzelfälle ge¬
ben, in denen die Erbauung eines kleinen, unbewirtschafteten Berg-
steigerheimes berechtigt und notwendig sei" (also klein und nicht be¬
wirtschaftet!) Dann:Jede neue Hütte soll grundsätzlich klein und
unbewirtschaftet als Bergsteigerheim gebaut werden" (also wieder:
klein und nicht bewirtschaftet!) Und schließlich: Diese Richtlinien be¬
zeichnen unseren Standpunkt in der Hllttenfrage unter den heu¬
tigen Verhältnissen, sie werden die Stellungnahme der Vergsteiger¬
gruppe zu den einzelnen Bauvorhaben bestimmen!" Weiters
brachte Herr Dr. W. Hofmeier den Aufsatz: „Zur neuen Hllttenord-
nung"'). Dort sagte er: „Wenn auch die neue Hüttenordnung nicht
unseren weitestgehenden Wünschen gerecht werben wird . . . .". Er
führt dann den Abänderungsvorschlag von 6 Münchner Sektionen
an, „der seither von weiteren 16 Sektionen unterschrieben worden
sei."

In diesem Vorschlag heißt es: „Die unterzeichneten Sektionen
lehnen gemeinsam jeden weiteren Hüttenbau in den Alpen völlig
ab" — „Der Alpenverein sollte seine Arbeitsgebiete lieber von
Staatswegen zu Schutzgebieten erklären lassen, statt sie^aus Furcht
vor fremden Wettbewerb mit immer neuen Hütten zu bebauen."

Unter den Fertigern dieses Vorschlages befand sich auch die
Sektion Vayerland, also eine große, um die Vergsteigergruppe ge¬
wiß sehr verdiente und dort führende Sektion. Es kann somit
wohl nicht gesagt werden, daß die Bergsteigergruppe dieser Vor¬
schlag gar nichts angehe und daß sie bei der H. V. nur „auf reine
Abwehr der Angriffe von den S. S. Austria und Innsbruck gegen
die geltenden Grundsätze eingestellt war."

Waren es also „eingebildete Gespenster" die Austria und
Innsbruck sahen oder nicht vielmehr ganz- und halbamtliche Pläne
der Bergsteigergruppe, die da entwickelt wurden: Abriegelung
ganzer Gebirgstruppen, Hüitenbauv erbot oder
Bau höchstens kleiner, nicht bewirtschafteter
Hütten, wo möglich keine Einzelräume, Anleh¬
nung an den unter ganz anderen Verhältnissen
wirkenden S. A.G?

Wenn es „niemals vorhanden gewesene Meinungen und Ab¬
sichten" der Vergsteigergruppe waren, dann haii? sie auch erklären

1) z V. Ernst Zetller „Ziele des D. u. Oe. A. V." in „Der
Bergsteiger" vom 18. 7. 1924. Dr. Hermann Kees „Aufgaben der
Zeit" in „Der Bergsteiger" vom 15. 12. 1924. Dr. Walter Hofmeier
«Hüttenfragen in den West- und Ostalpen" in „Der Bergsteiger"
vom 12. 12. 1924, wo der Entwurf einer „vorbildlichen" Hütten¬
ordnung für den S. A. E. zur reiflichen Erwägung empfohlen wird.
Mso: Keine Hütte, wenn eine Tur in 8 Stunden vom Tal ausführ¬
bar ist! Einteilung der Hütten in viele kleine Räume ist zu ver¬
meiden! Keine Bewirtschaftung der Hütten usw.) Ernst Zettler
Das bergsteigerische Bedürfnis" in den „Mitteilungen" vom 15.
Januar 1925.

2) Nachrichten" der V. G in „Der Bergsteiger" vom 26. 6. 25.
') „Nachrichten" der B. G. in ..Der Bergsteiger" vom 24. 7. 25.

müssen, daß einzelne ihrer Sektionen und ihr Vorsitzender in ihren
Ausführungen zuweit gegangen waren, und daß die Verg¬
steigergruppe nicht alles decken tonne, was da veröffentlicht
worden sei.

Die S. Austria mußte natürlich den eine amtliche oder halb¬
amtliche Präge tragenden Ausführungen Beachtung schenken, sie
ernst nehmen und deshalb auf der H. V. nicht nur gegen die 3
Punkte der Tölzer Richtlinien auftreten) sondern auch die Aus¬
einandersetzung mit der Bergsteigergruppe pflegen ich denke, das
ist leicht einzusehen!

Die Bergsteigergruppe aber wußte vor der H. V. nicht, wel¬
chen Kurs sie einnehmen soll — eine Klärung wurde meines Wis¬
sens erst in der Versammlung am Tage vor der H. V. herbeige¬
führt, weil dort Mitglieder der Vergsteiqergruppe aOesterreich
Gelegenheit hatten, die reichsdeutschen Freunde über die öster¬
reichischen Verhältnisse aufzuklären. ,

Um die tatsächlichgelte n d e Anschauung der Bergstei¬
gergruppe festzustellen, dazu waren die sachlichen Reden der Ver¬
treter von den S.S. Austria. und Innsbruck auf der H. V. nötig
und sie erreichten auch ihren Zweck.

Dadurch, daß die Vergsteigergruppe dort die Vorschläge ihre.
Vorsitzenden und der 22 Sektionen nicht auf ihren Schild erhoben
hat, sondern bei ihrem alten, gemäßigterem Standpunkt blieb, wei-
ters durch den dann angenommenen Antrag der S. S. Saatfelds.
Austria. Innsbruck usw.«) und durch die Umgrenzung des Veu.s-
fes „Bergsteiger", die vielen Teilnehmern der H. V. neu war,
wurde eben den S. S. Austria und Innsbruck die Möglichkeit ge¬
geben, ihre Anträge zurückzuziehen.

Der Vorwurf, daß durch die Anträge und Reden der S. S.
Austria und Innsbruck „kostbare Zeit verwendet wurde", ist sonder¬
bar. Als die in das Leben des Gesamtvereines so tief einschnei¬
dende und für ihn so lebenswichtige Donaulandfrage die Tagesord¬
nung der H. V. beherrschte, da hieß es: „Schade um die kost¬
bare Zeit, die damit den Beratungen über alpine Fragen ver¬
loren geht!" Nun da glücklicher Weise in Innsbruck nur mehr
alpine Fragen erörtert werden brauchen, und dabei gegen Be¬
strebungen, die für den Gesamtverein als nicht günstig erächtet wer¬
den, Verwahrung eingelegt wurde, heißt es merkwürdiger Weise
wieder: „Schade um die verlorenen kostbaren Stunden!" Ich
glaube, die Mehrheit der H. V. hat die ruhigen Erörterungen, die
sich an die Anträge der S. S. Austrin und Innsbruck knüpften,
durchaus nicht als unnütze Zeitvergeudung aufgefaßt. Soll denn
die H. V. sich lediglich mit der F 5 rderung außer »
europäischer Unternehmungen beschäftigen?

Und noch eins: Herr Dr, W. Hofmeier sagt, es sei „sinnlos" zi>
behaupten, daß „die Bergsteigergruppe die völkischen Belange mi߬
achte und schädige!" Er scheidet dabei die vermeintlichen Absichten
der Deutschösterreicher und der reichsdcutschen Bergsteiger wie folgt:
Die elfteren wollen „reine Körperbewegung für die Massen" lind
daher „Massenausbreitung des Bergsteigertums", die Vergsteiger¬
gruppe aber und im weiteren Sinns die reichsdeutschen erstreben'
die reine Körperbewegung für Massen durch „Turnen und Sport
und Leibesübungen aller Art"; die Berge sind für die Bergsteiger
dagegen die höchste Erziehungsschule nur für eine beschränkte Zahl,
für das Führergeschlecht der Zukunft.

Ihr Deutschäst erreicher wollt (so ungefähr meint Dr.
W. Hofmeier) der großen Menge durch den Besuch auch der jetzt
noch unberührten Gruppen rein körperliche Bewegung
schaffen, die sie anderswo auch finden können, Ihr betrachtet
die Alpen als einen Tl'rn- und Sportplatz zur Körper¬
ausbildung der Massen, während wir Reichsdeutsche
diese Ausbildung in den Tur und Sportvereinen be¬
sorgen. Die Bergsteigergruppe aber will unberührte Gebiete aus¬
schließlich „als Erziehungsschule wirklichen, führerlosen Bergstei¬
gens" erhalten. „Beides gleichzeitig in einem Gebiete ist nicht
möglich."

Nun, diese Unterscheidung und diese Einschätzung unserer Be¬
weggründe für die Liebe zu den Bergen müssen wir Deutschöster¬
reicher dankend ablehnen. Ich kann ihrem Urheber verraten, daß
es auch in Oesterreich Turn- und Sportvereine gibt, daß bei uns
unter Teilnahme aller Stände sogar sehr viel geturnt und die ver¬
schiedensten Sporte betrieben werden und auch, was mir besonders
notwendig dünkt für das „Führergeschlecht der Zukunft", daß die
wehrhafte körperliche und geistige Ausbildung gepflegt wird
und daß wir nicht daran denken, daß das Bergsteigen einen Ersatz
für Turnen und Sport bilden solle. '

Warum wir Deutschösterrcicher die vor der Innsbrucker H. V.
aufgetauchten Tastversuche nach Gc'tcndM'ichung dcr schärfsten Rich¬
tung in der Vergsteigergruppe nicht billigen, hat folgende Gründe:

Das Hochgebirge, die schwer zugänglichen Gebiete unserer Hoch¬
alpen sollen verschont bleibcn von Wegunlagen und Versicherungen,
die möglichste Unbcrührtheit von Gipfeln, die für den Durchschnitt-
bergstciger ohne Hilfsmittel nicht erreichbar sind, sollen geschützt

') „Der Alpcnuercin sieht nach wie vor in der Fördernng des
volksertiichtigenden Vergstcigettums durch den Bau nötwendiger
und bergstcigerisch zweckmäßiger Schutzhütten und entsprechender
Zubauten zu bestehenden Hütten eine seiner Hauptaufgaben."