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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.54 (1928)
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Nr. 5

Mitteilungen des Deutschen und Osterreichischen Alpenvereins

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hätten. Am 8. November 1926 vermählte sich Toni Stein-
maierin Gosau mit Frl. Marianne Vraun. Kaum mehr
als ein Iährlein ungetrübten Glückes ging dahin, da stellten
sich — wohl eine Folge der fortgesetzten Überanstrengungen
im Kriege — Atem» und Herzbeschwerden ein, die eine Hals»
operation rätlich erscheinen ließen. Letztere gelang, doch trat
schon nach wenigen Tagen eine bösartige Lungen» und Rip»
penfellentzündung hinzu, der das geschwächte herz nicht mehr
gewachsen war. Am 17. März '1928 verschied mein lieber
Freund und langjähriger Turengefährte zu Linz in den
Armen seiner jungen Frau, deren selbstlose Liebe den Lebens
abend dieses wackeren Mannes bis zuletzt vergoldet hatte.

Ing. Hans Reinl.

Alpine Unglücksfälle.

Flugzeugunfall am Arlberg am 27. August 1927. über

diesen eigenartigen alpinen Unglücksfall liegt folgender Ve
richt von Anton Vonier, dem Hüttenwirt der Reutlinger
Hütte, vor: Am Samstag, den 27. August v. I., begleitete ich
in der Frühe vier Gäste des hohen Neuschnees wegen von der
Reutlingerhütte bis herunter zur Vettleralpe. Auf dem Rück»
weg, hörte ich plötzlich ein Surren in der Luft und bemerkte
drei Flugzeuge, die dem Klostertal entlang gegen den Arlberg
zu flogen. Sie waren knapp unter dem Nebel in einer Höhe
von ungefähr 1900 m und konnten anscheinend den Weg nicht
finden, denn sie kamen bald wieder zurück und flogen dann
nochmals in der Richtung gegen den Arlberg. Eines der
Flugzeuge wiederholte den Versuch durchzukommen wohl
sechs- bis siebenmal; schließlich verschwanden sie im Nebel.
Während ich dies beobachtete, hörte ich ein Flugzeug
direkt über mir im Nebel, ohne es zu sehen. Dieses
hatte sich vermutlich in das Nenzigasttal verirrt und ist
wahrscheinlich beim Weiterflug auf die zwischen der Eisen
talerspitze und der Lobspitze sich hinziehenden Gratfelsen auf
gefahren. Nachmittags wollte ein Herr trotz des dichten
Nebels auf die Cisentalerfpitze. Auf fein Drängen hin be»
gleitete ich ihn. Am Grat vor dem Gletscher entschloß er sich
aber zum Abstieg. Wären wir zum Gipfel gekommen, so hätte
ich vielleicht damals schon etwas von dem verunglückten Flug»
zeug bemerkt; aber es sollte nicht sein. Die Nacht vom
Samstag auf den Sonntag war klar und fehr kalt; an der
Hütte hingen meterlange Eiszapfen. Am Sonntag, einem der
schönsten Tage des ganzen Sommers, gingen zwei Herren bei
wolkenlosem Himmel schon vormittags auf die Eisentaler
spitze und blieben bis zum Abend oben, ohne etwas Veson
deres wahrzunehmen. Auch am Montag wurde die Spitze von
einem Herrn und einer Dame bestiegen. Sie waren einige
Stunden oben, bemerkten das Flugzeug aber ebenfalls nicht,
da sie nicht ortskundig waren. Erst am Dienstag wurden zwei
Turisten, die die Spitze bestiegen hatten und dort laut san»
gen, durch Hilferufe aufmerksam. Einer der beiden, Herr
Rudolf aus Karlsruhe, berichtet darüber wie folgt: „Nach
dem Gesang hörten wir von der Lobspihe her ein Jammern.
Wir erwiderten mit dem alpinen Notsignal, worauf das
Jammern kräftiger wurde. Auf dem Lobfpitzferner gewahrten
wir eine große fchwarze Fläche, daneben ein großes rotes
Tuch, von'dorther kamen die Klagen. Wir stiegen zur Reut»
lingerhütte ab, um den 'Hüttenwirt Anton Vonier zu be»
nachrichtigen." Nachdem mir Herr Rudolf über seine
Wahrnehmungen berichtet hatte, raffte ich in aller Eile das
Nötigste zusammen und machte mich auf den Weg zum Gipfel,
den ich in einer halben Stunde erreichte. Ich fuchte, dort an»
gekommen, mit dem Glas den Gletfcher ab und entdeckte auch
sofort die mir vom Feld her so wohlbekannten Umrisse eines
Flugzeuges. Sofort kam mir in den Sinn, daß es das von mir
am Samstag gehörte Flugzeug sein müsse. Der Abstieg am
tief verschneiten Westqrat mit seinem losen Gestein und die
Überquerung des Gletschers im Neuschnee war nicht leicht und
erforderte weitere °/, Stunden. Als, ick) auf 600 bis 700 m
an das Flugzeug herangekommen war, jauchzte ich und rief:
„Es kommt Hilfe", worauf ein jämmerliches Hilferufen ant¬
wortete, das nicht aufhörte, bis ich bei dem verunglückten
Piloten, Oberleutnant Pajevic Dragalu b, ankam.
Als er mich erblickte, streckte er beide Arme nach mir aus, mit
etwas erhobenem Oberkörper, denn mehr konnte er sich nicht
bewegen, und rief immerfort in gebrochenem Deutsch: „Kom»
men Sie, kommen Sie!" Dann zog er mick zu sich hin und
küßte mir beide Hände. Er bot ein bemitleidenswertes Vild.
Ich gab ihm zu trinken und stellte fest, daß keine Glieder gc»
brochen, der rechte Oberschenkel aber im Vecken ausgekugelt
war. Gesicht und Hände wiesen viele starke Wunden auf und
waren mit vertrocknetem Vlut bedeckt. Die oberen Vorder»
zahne waren eingeschlagen, Hände und Füße erfroren und
dick geschwollen. Als ich nun sah, daß meine Hilfsmittel nicht
ausreichten, entschloß ich mich, sofort wieder zur Hütte zu

gehen. Ich bettete den Verletzten so gut es ging und teilte
chm meinen Entschluß mit; da ging aber der Jammer von
neuem los und er bat in einemfort: „Aber wiederkommen."
Ich eilte zur Hütte zurück und schickte von dort Leute ins
Tal nach Klösterle zur Gendarmerie und nach der Gafluna»
alpe, nahm Decken und Nucksack voll Getränke und machte
mich auf den Rückweg. Ms ich an der Unfallstelle ankam, ging
es dem Abend zu und war kalt. Unterdessen war mein
Träger vom Gaflunatal her eingetroffen und hatte vom
Holz des Flugzeugs ein Feuer angemacht. Ich unterhielt
dieses die ganze flacht hindurch, so daß ich immer heiße
Getränke, für den Verletzten hatte; die Annahme von Speise
verweigerte er ganz. Da ich in dem Schnee eine Spur
entdeckte und sah, daß das Flugzeug ein Doppeldecker war,
fragte ich ihn, ob er allein sei. Zuerst bejahte er, weil
er mich anscheinend nicht richtig verstanden hatte, dann
sagte er: „Ja, mein Kommandant ist gestern hinunter
Hilfe holen, er wird aber tot sein." Jetzt kam auch ein
Hirte von der Nenzigastalpe. Ich schickte diesen und den
Träger den Gletscher hinunter zur Verfolgung der Spur.
Sie entdeckten nach kaum halbstündigem Abstieg am Aus»
gang des Gletschers den toten Oberst. Er war vom Flug»
zeug aus noch ungefähr 500 m abgestiegen, bis der Glet-
scher sanfter verläuft, dort hatten ihn vermutlich die Füße
nicht metjr getragen, weshalb er sich quer hinlegte und sich
noch wettere 800 m wie eine Walze hinunterwälzte. Am
Ausgang des Gletschers blieb er liegen und ist inneren
Verletzungen und der Erschöpfung erlegen. Vor feinem Weg»
gang vom Flugzeug hatte er den Oberleutnant noch losge»
schnallt. Nach meinem Dafürhalten müssen beide lange be»
wußtlos dagelegen fein, denn nach dem Aussehen des Flug»
zeuges zu schließen muß der Anprall fürchterlich gewesen
sein. Ich beauftragte nun den Hirten und den Träger mit
einem Licht, das ich ihnen mitgab, nach dem Nenzigasttal ab»
zusteigen, um der Rettungsexpedition den richtigen Weg zu
weisen. Diese Maßnahme hat sich als zweckmäßig erwiesen,
weil ohne sie die Expedition zur Hütte, anstatt ins Cisental
aufgestiegen wäre. Währenddessen blieb ich bei dem armen
Verletzten. Er schlief viel, wachte aber alle paar Minuten
wieder auf und jammerte schrecklich. Die Füße konnte er nicht
bewegen, ich habe sie unendlich oft zurechtbetten müssen. Cnd,
lich um 4 Uhr morgens kam mein Träger mit der Crpedition,
die aus einen Gendarmerieinfpektor und sechs Mann bestand.
Um 5 Uhr brachen wir auf, sechs Mann trugen den Verun»
glückten, zwei Mann wurden mit dem Gepäck beladen. Der
Transport bis zur Nenzigastalpe war sehr beschwerlich und
dauerte bis 12 Uhr mittags, von dort aus wurde ein Schlitten
mit einem Pferd benutzt. Ich kehrte zur Hütte zurück; ins^
gesamt bin ich 28 Stunden unterwegs gewesen. Tags darauf
wurde der Tote geholt, auch der Motor wurde von 18 Mann
abtransportiert. Das von dem Karlsruher Herrn erwähnte
rote Tuch stellte sich als das Hintere Steuer heraus, das mit
den serbischen Landesfarben rotweißblau bemalt war.

Allerlei.

Das Werden der Alpen. Von L. Kober. (Zu der Vc^
merkung von Dr. N. Lichtenecker in den „Mitteilungen" 1928,
Nr. 4, Seite 72). — Sofern Herr Dr. Lichtenecker nicht schon
in feiner ersten Erwiderung die Grenzen des guten Tones über»
schritten haben sollte, hat er in seiner zweiten in einer wohl
jeden Zweifel ausschließenden Weise gezeigt, daß er jene
Grenzen nicht zu wahren weiß. Wie weit die Anmaßung be»
rechtigt ist, die aus seinen Äußerungen spricht, überlasse ich
anderen zur Beurteilung. Ich halte meine in Kürze nieder»
gelegte Ansicht über Kobcrs Buch vollinhaltlich aufrecht und
bin sicher, mick hiebei in Übereinstimmung mit zahlreichen
maßgebenden Geologen zu befinden. Hiemit ist die Ange»
legenheit für mich endgültig abgeschlossen.

Dr. Robert Srbik.

Der beanständete Abdruck ist die ursprüngliche Fassung,
die auf Wunsch der Schriftleitung Dr. Lichtenecker be»
reitwilligst in einwandfreie Form gebracht hat. Leider wurde
beim Druck zu spät bemerkt, daß die falsche Fassung eingesetzt
wurde. Die Schriftleitung bedauert diesen Vorfall und bittet
um Entschuldigung.

Rechtswahrung. Mit Bezug auf die Notiz, Seite 164, in
Nr. 14/1927: In dieser Sache erfloß durch das Landes-
gericht Dresden am 8. Februar 1928 eine in Rechtskraft er»
Wachsens wichtige' Entscheidung des Inhaltes: Dem Vc-
klagten wird unter Androhung der Strafen des § 890 ZPO.
für jeden Iuwiderhandlungsfall verboten, die von ihm ver^
triebenen Kleidungsstücke, soweit sie nicht Erzeugnis der
Klägerin sind, d. :. Sporthaus Verco, Wien, 6., Maria-
Hilferstraße 1c, Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe,