AMTS
C3
BLATT
LANDESHAUPTSTADT
INNSBRUCK
Nummer 6
37. Jahrgang
Juni 1974
Treuer um Bundespräsident Franz Jonas
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck
trat am 26. April im Kleinen Stadtsaal anläßlich des
Ablebens des Bundespräsidenten Franz Jonas zu
einer Trauersitzung zusammen. Mit den Mitglie¬
dern des Gemeinderates waren auch das konsula¬
rische Korps, die Vertreter der Bundesbehörden
und eine Reihe weiterer namhafter Persönlichkei¬
ten erschienen. Nach den Klängen von Beethovens
Egmont-Ouvertüre, die vom Innsbrucker Sympho¬
nieorchester gespielt wurde, würdigte Bürgermei¬
ster Dr. Lugger die Verdienste des verstorbenen
Bundespräsidenten mit folgenden Worten:
„Hoher Gemeinderat, verehrte Trauergäste, meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Trauer und Wertschätzung sind es, die uns heute
vereinen. Trauer über das Ableben unseres hoch¬
verehrten Bundespräsidenten Franz Jonas, der am
24. April kurz nach Mitternacht seine Augen für im¬
mer geschlossen hat. Wertschätzung für einen
Mann, der fast neun Jahre hindurch das höchste
Amt im Staate innehatte und wie kein anderer in
der Zweiten Republik Verantwortung für unser Va¬
terland, für das gesamte österreichische Volk ge¬
tragen und unser öffentliches Leben mitbestimmt
hat.
Wenngleich wir seit Wochen und Monaten wußten,
daß es um den Gesundheitszustand unseres Bun¬
despräsidenten nicht zum besten stand, so hat uns
die Nachricht von seinem Tod doch tief bewegt.
Ganz Österreich trauert um das Staatsoberhaupt,
und wenn der Gemeinderat der Landeshauptstadt
Innsbruck sich hier versammelt hat, um in seiner
Gesamtheit dieser Trauer Ausdruck zu geben, so
reihen wir uns ein in die große Verbundenheit aller,
die in diesen Tagen in Österreich und weit über die
Grenzen unseres Landes hinaus unserem Bundes¬
präsidenten Franz Jonas, dem großen Menschen
und dem hochgeschätzten Staatsmann, ihr beson¬
deres Gedenken erweisen.
Der Lebensweg, den Franz Jonas in einer an Fähr¬
nissen reichen Zeit gegangen ist, zwingt allen Re¬
spekt und Bewunderung ab, die diesen Weg auch
nur in seinen entscheidendsten Stationen kennen.
Als erstes von acht Kindern eines Hilfsarbeiters am
4. Oktober 1899 in Wien geboren, besuchte Jonas
dort die Volks- und Bürgerschule, anschließend die
Fachschule für Graphiker. In den Jahren 1917 und
1918 rief ihn der Kriegsdienst zunächst an die rus¬
sische, dann an die italienische Front. Nach Kriegs¬
ende stand er in den Reihen der Volkswehr, um
die Grenzen unseres Vaterlandes zu verteidigen.
Es folgten 13 Jahre profunder Berufstätigkeit als
Schriftsetzer und Korrektor, eine Zeit, in welche
auch die Verehelichung mit Frau Grete, geb. Tova-
rek, fiel.
Ins politische Rampenlicht trat Jonas erstmals im
Jahre 1932, als er die Funktion eines Bezirkssekre¬
tärs der Sozialistischen Partei in Floridsdorf über¬
nahm. 1935 wurde Franz Jonas wegen Teilnahme
an der illegalen Brünner Reichskonferenz der Re¬
volutionären Sozialisten verhaftet, im Jahre 1936
jedoch wegen ungenügender Beweise freigespro¬
chen. In den folgenden Jahren mußte Jonas die
volle Härte der Arbeitslosigkeit am eigenen Leib
verspüren, bis er 1938 wieder Arbeit als Schrift¬
setzer und später als Angestellter einer Lokomotiv¬
fabrik fand.
Die eigentliche politische Karriere begann für den
46jährigen im Jahre 1945, als er zunächst Mitglied
der provisorischen Gemeindeverwaltung und ein
Jahr später Bezirksvorsteher des 21. Wiener Ge¬
meindebezirkes Floridsdorf wurde. Sein Mandat im
Rahmen der Kommunalpolitik konfrontierte ihn da¬
mals nicht nur mit der Besatzungmacht, sondern
auch mit der unmittelbaren Not der Menschen, wie
sie die Nachkriegsjahre mit sich brachten. Daß er
seine Aufgaben unter so widrigen Umständen her¬
vorragend gelöst hat, wird durch die bereits 1948
erfolgte Bestellung zum amtsführenden Stadtrat
für Ernährungswesen in Wien unterstrichen, der
schon ein Jahr später die Betrauung mit den Auf¬
gaben des Stadtrates für Bauangelegenheiten im
bombenzerstörten Wien folgte.
Nur eineinhalb Jahre später wurde Franz Jonas
zum Bürgermeister von Wien gewählt, ein Amt, das
er vierzehn Jahre hindurch unter wachsender An¬
erkennung und Wertschätzung durch die Bevölke¬
rung wie auch in der internationalen Beurteilung
ausübte.
So hatte Franz Jonas, als er am 23. Mai 1965 zum
Bundespräsidenten der Republik Österreich ge¬
wählt wurde, reiche Erfahrung in demokratischen
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