Das Kanaltal
Landeskundliche
Skizze
eines
Kärntner Grenzraumes
*
Von
Or.
V. Paschinger, Klagenfurt
Ci
suf jeder höhe des wechselvollen Geländes um den Wörther See wird der Blick
(<X
immer wieder gegen Südost gelenkt, wo sich hinter einer dunklen Waldkette geister»
Haft bizarre Zinnen herausheben wie eine
Fata Morgana
einer fernen, fremdartigen
Felswildnis. Wenn sich aber Straße und Bahn aus dem reich besiedelten Villacher
Felde jäh über der Schlucht der brausenden Gailitz zwischen die Kulissen hindurchge-
zwängt haben, die von den Ausläufern der Karnischen Alpen und Karawanken gebildet
werden, öffnet sich in Tarvis ein Kessel von wunderbarer Umrahmung, das Haupttor
der Jütischen Alpen. Längs deren steil aufgerichteter Nordfront zieht sich eine Talung
hin, die im Osten zum Schwarzen Meer, im Westen zur
Adria
entwässert, in der Mitte
von einer zum Trauland gerichteten Furche gequert wird. Zwei Wasserscheiden liegen
daher in dem Längstale, die aber ihre Abdachungen nur" so unmerklich überhöhen, daß
der Verkehr unbehindert darüber hinweggeht und die Gegebenheiten ganz verschieden¬
artiger geographischer Räume sich unmittelbar berühren, solche der alpinen, der
illy»
rischen und mediterranen Welt. Als Grenzgebiet von wesensfremden natürlichen und
kulturellen Elementen ist es eine Landschaft interessanter Gegensätze und Übergänge
auf engem Naume.
Cs ist schon ein Menschenalter her, daß in unserer Zeitschrift eine gehaltvolle AbHand-
lung
über den westlichen Teil der Iulifchen Alpen erschienen ist. Seither hat sich hier viel
geändert: nicht nur, daß der reiche Naturinhalt uns durch neue Auffassungen näher
gerückt, das letzte hochalpine Ziel erreicht wurde, Handel und Wandel eine andere
Rich»
tung nahmen
—
über die Grate der Iulier läuft nicht mehr die Landesgrenze Kärntens
und die Staatsgrenze Österreichs. Mit der neuen Grenzziehung vom Jahre
1919
über
den Karnischen Kamm und die Karawanken fiel der östliche Teil der Gebirgsgruppe in
südslawisches, der westliche in italienisches Staatsgebiet. In letzterem leben vorwiegend
Deutsche, deren Besiedlung deutsches Land, deren Arbeit deutschen Kulturboden ge¬
schaffen
i>at
Mer
es sind ihrer nur wenige Taufend, die an der Grenze fremden Volks-
tums ihr eignes erhalten wollen. Sie vor Vergessenheit zu bewahren, den geistigen
Blick und die Schritte unserer Mitglieder dorthin zu lenken, ist uns eine völkische und
landsmannschaftliche Pflicht.
Die
25
km lange Furche
"vom
Gailitzdurchbruch bei Tarvis über die Saifnitzer Tal-
wasserfcheide,
805
m,
eine der niedrigsten der Alpen, bis zur scharfen Abbiegung des
Fellatales zur schutterfüllten Torrentenfchlucht bei Pontafel führt den Namen „Kanal-
tal",
eine Bezeichnung, die auf den lebhaften mittelalterlichen Durchgangshandel nach
Italien zurückgeht, wo die fchlauchartigen Täler der Karnischen Voralpen allgemein so
genannt werden. Im weiteren Sinne gehören auch die kleinen Seitentäler dazu, von
denen nur das von Naibl besiedelt ist, sowie das Gebiet von Weißenfels, das durch
feinen Abfluß zur Gailitz gerichtet, durch die Natfchacher höhe,
850
m,
vom Quellgebiet
der
Save
getrennt ist. Die Entstehung des Kanaltales gcht auf eine Vruchlwie zurück,
welche die ganze Trias durchsetzt bis auf ihre weicheren Vasisschichten, die sogenannten
Werfener Schiefer, die inmitten lebensfeindlichen Kalkes einen, wenn auch kargen
Boden bieten. In der nördlichen Begrenzung, der Karnifchen hauptkette, bilden die
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