/ 257 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 04 (1878)
Search


83 —

glaciers" im Jahrgang 1865 des Genfer „Journal des tribunaux de Vaud" 1 )
erschien. C. bekannte sich zu der Annahme, dass nach französischem Recht
die Gletscher Bestandtheile des domaine public seien und darum keinen
Eigenthümer hätten und vom Staat nur verwaltet würden, und dass diesem
auch das Recht zukomme die Erlaubniss zu ihrer Ausbeutung zu erthei-
len 2 ). Das Gleiche soll nach C auch für die Rechte von Bern, Waadt
und Wallis gelten.

Auf Grund dieser von résole gegebenen Anregung hat sich das
Bolletino del Club alpino italiano in Band 8 und 9 (1874 und 1875)
wiederholt mit der vorwürfigen Frage beschäftigt.

Zunächst trat dort Federigo Gen in in einem Aufsatze „Del diritto
di proprietà sui ghiacciai" 3 ) der Auffassung Cérésole's wenigstens für
das italienische Recht entgegen. Derselbe suchte nachzuweisen, dass diesem
Rechte zufolge das ganze innerhalb des Umfangs einer Gemeinde gelegene
Gebiet, soweit es nicht dem Staat, der Provinz, öffentlichen Anstalten so¬
wie anderen juristischen oder auch Privatpersonen gehöre, freies Gemeinde-
eigenthum sei, und so auch die Berge und die auf denselben befindlichen
Gletscher in der Art dem Gebrauche aller Gemeindeeinwohner überlassen
seien, dass der Gemeinde allein das Verfügungsrecht darüber zukomme.
Gen in gelangt zu diesem Ergebnisse, indem er von dem Rechtscharakter
ausgeht, der nach italienischem Recht der Gemeinde innewohne, und führt
zur Begründung seiner Ansicht Entscheidungen italienischer Gerichtshöfe
auf, denen zufolge der „Gemeinde nicht blos die Verwaltung, sondern auch
das Eigenthum der ursprünglich für die Gesammtheit ihrer Inwohner be¬
stimmten Güter zusteht" und „der Gemeindewald als ein Anhang des inner¬
halb des Gemeindegebietes liegenden Privatbesitzes angesehen wird." Indem
der Verfasser nun allerdings einräumt, dass sich das von ihm behauptete
Recht der Gemeinde aus der italienischen Gesetzgebung nur schwer herbei¬
leiten lasse, da sich in derselben die Güter, welche Gemeindeeiger.thum
seien, nicht so ausdrücklich festgestellt finden, beruft er sich zur Rettung
jenes Rechtes auf eine französische Rechtsquelle, ein Gesetz vom 10. Juni
1793, welches ausdrücklich anerkannt habe, dass die Berge ihrer Natur
nach der Gesammtheit der Einwohner oder Glieder der Gemeinde gehören, in
deren Gebiete sie liegen, ferner auf „la legrge comunale e provinciale" vom
20. März 1865, welches Gesetz den Provinzen die Fähigkeit des Besitz¬
erwerbes offenbar in der Voraussetzung verliehen habe, dass den Gemeinden
der Besitz aus eigenem Recht zukomme, endlich auf die Bestimmungen des
Codice civile del regno d'Italia „dei beni relativamente alle persone a cui
appartengono" (art. 425435), insbesondere Art 427, nach welchem die
Güter entweder dem Staat oder Provinzen oder Gemeinden oder öffent¬
lichen Anstalten, bez. anderen juristischen Personen oder Privaten ge¬
hören, sowie auf Art. 440, nach welchem der Eigenthümer des Bodens
auch Eigenthümer des Raumes ober demselben und alles dessen ist, was
sich ober und unter der 0 bei fläche befindet.

In No. 24 der erwähnten Zeitschrift folgte abermals eine kurze Be¬
sprechung unserer Frage von L. Bizio 4 ). Dieser geht zunächst davon
aus, dass einerseits „soweit der Berg, auf dem sich ein Gletscher befinde,
im Privateigentum stehe, das nämliche auch von dem Gletscher selbst
gelten müsse, anderseits die Nation Eigenthümerin des von ihr bewohnten
Gebietes und aller von diesem eingeschlossenen Sachen sei (code civil art.

1) p. 545 ff. Geneve, Sept. 1865.

2) Es heisst a. a. O. : „Le droit d'exploiter de la glace est le pendant du droit
de prendre de l'eau dans une riviere pour l'irrigation, pour les usines ou l'abreuvage".

3) Bolletino del Club alpino italiano vol. "VIII. Nr. 22 (1874) p. 94—99.

4) „Sulla proprietà dei ghiacciai" a. a O. Vol. IX. Nr. 24 (1S75) p. 35—39.